Ukraine bei der Hockey-EM: “Für ein, zwei Stunden alles vergessen” | NDR.de – Sport

Stand: 06.12.2022 10:30 Uhr

Die ukrainische Frauen-Nationalmannschaft eröffnet am Mittwoch in Hamburg die Hallenhockey-Europameisterschaft. Dafür trainierte das Team drei Wochen lang beim TTK Sachsenwald – weit weg vom Krieg, aber auch weit weg von Familie und Freunden.

Von Christina Schröder

Es ist eine etwas skurrile Szene: Zwei Eishockeyspieler schauen auf ein Handy, das ihnen ein Teamkollege hinhält. Sie versuchten offenbar, die Anweisungen ihres ukrainischen Athletiktrainers über sehr geringe Hilfeleistungen auszuführen – und scheiterten kläglich. Stattdessen brach die gesamte ukrainische Nationalmannschaft in Gelächter aus. Die Stimmung an dieser Stelle ist euphorisch, fast ängstlich. Aber die ständige Unterbrechung der Internetverbindung mit Koch in der Ukraine zeigt, dass der Krieg allgegenwärtig ist.

„Sie sind gespalten. Ein Teil ist hier und fühlt sich sicher und wohl, aber etwas in Ihrem Kopf und in Ihrem Herzen sagt Ihnen, dass es keine 100-prozentige Sicherheit gibt. Es ist sehr schwierig, ein normales Leben zu führen“, sagte Captain Yevnia Moroz.

EM-Bereitschaft ohne Bomben, ohne Krieg

Seit drei Wochen versucht sein Team beim Eishockeyverein TTK Sachenwald im beschaulichen Wohltorf genau das. Hier bereiten sich die Ukrainer auf die Halleneuropameisterschaften in der Hamburger Sporthalle vor, die am Mittwoch (7. bis 11. Dezember) beginnen. ) ohne Bombardierung, ohne Schutz vor Luftangriffen – ohne Krieg.

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„Wir wissen jetzt, dass Eishockeyfamilie nicht nur ein Wort ist, sondern wirklich da ist, wenn man es braucht“, sagte der 34-Jährige, der am Montag mit seiner Mannschaft Wohltorf in Schleswig-Holstein ins Turnierhotel verließ. . Abgesehen von zahlreichen Reisen zu Testspielen gingen TTK-Mitglieder auf Tour, um Spieler und ihr Gepäck zu neuen Orten zu transportieren. „Man muss hier etwas hinterlassen, das man wirklich liebt. Wir sind sehr beeindruckt davon, was die Menschen dieser kleinen Gemeinde für uns möglich gemacht haben“, sagte Moroz. Das Team finanzierte seinen Standort in Hamburg durch eine Spendenaktion und umfangreiche Unterstützung durch Mitglieder des TTK-Vereins.

Die Spieler sind jetzt über ganz Europa verstreut

Der Kontakt zum Eishockeyklub kam über Frauentrainer Magnus Meyer Taufmann zustande, der bereits an seiner früheren Trainerstation in Hannover mit Sumi, einer ukrainischen Eishockeyhochburg, Kontakt aufgenommen hatte. Vor Kriegsbeginn lebten die meisten Spieler zusammen in der Akademie in der nordöstlichen Stadt, wo sie jeden Tag gemeinsam verbrachten. Mittlerweile sind sie über ganz Europa verstreut. Obwohl die Front weiter südlich verläuft, ist der durch Luftangriffe verursachte Krieg im ganzen Land allgegenwärtig und an ein normales tägliches Training ist nicht zu denken.

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Eishockey entspannt – „gibt ein normales Leben“

„Sie lagen sich sehr lange in den Armen“, beschrieb Meyer Taufmann die „wahnsinnige Freude“, sie in Deutschland wiederzusehen. Doch der Fokus verlagerte sich schnell auf das kommende Turnier: „Es geht wirklich um Eishockey.“ Er glaubt, dass einige Spieler kritische Situationen zu Hause lieber ignorieren.

„Wenn du auf dem Feld bist, vergisst du für ein oder zwei Stunden alles. Du tust etwas, das Teil deines normalen Lebens war. Es erinnert uns daran, dass es ein normales, gutes Leben gibt und dass wir vielleicht nur warten und es tun müssen . Betet, dass es irgendwann vorbei ist und wir nach Hause gehen können“, sagte Moroz.

Das Spiel bringt den Frauen Erleichterung, da die meisten ihrer Verwandten noch in der Ukraine sind. Die Spieler haben ihre Handys rund um die Uhr bei sich, aber Stromausfälle bedeuten oft, dass Familien nicht miteinander kommunizieren können. „Das sind schlimme Stunden, man ist total gestresst, weil man nicht weiß, was da los ist“, berichtet die zierliche Moroz mit ernstem Blick.

Bundestrainer Altenberg: „Wir haben großen Respekt“

Für sein Team ist die Europameisterschaft mehr als nur ein Sportereignis. Wenn die Ukrainer am Mittwoch mit einem Spiel gegen Tschechien (10.30 Uhr) in den Titelkampf starten, spielen sie vor allem “für unser Heimpublikum”. Tofman Meyer findet es „großartig“, dass die Mannschaft von Trainerin Svetlana Ivanova unter diesen Bedingungen am Turnier teilnimmt.

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Auch Frauen-Bundestrainer Valentin Altenberg mag die vielen Gegner der Ukraine: „Die Ukraine ist traditionell ein Binnenland. Sie sind immer stark und gehören zu den Favoriten in diesem Turnier. Da haben wir großen Respekt.“

Bei der EM gilt das Spiel, nicht der Kampf

Deutschland und die Ukraine stehen sich am zweiten Tag der Gruppenspiele gegenüber. Sie kennen sich gut, beide haben viele Veteranen. Beim letzten Aufeinandertreffen bei der EM 2020 in Weißrussland gewann Deutschland knapp mit 4:3. „Die Mannschaft ist gekommen, um uns zu schlagen“, ist Altenberg überzeugt. Neben dem sportlichen Aspekt gratulierte er dem Gegner, “der das Spiel beherrscht, sobald es losgeht”.

Yevenia Moroz und ihr Team stehen vor der Herausforderung, alle aufgestauten Emotionen in Hamburg zu kanalisieren und im richtigen Moment aufs Feld zu bringen. Für den sportlichen Erfolg. und ein kurzes Gefühl von einem “normalen” Leben.

Diese Themen im Programm:

NDR-Informationen 06.12.2022 | 14:00 Uhr

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