
FRANKFURT/Main (dpa) – Hans-Joachim Watz hatte einen exklusiven Blick, als sich die nächste Fußball-Baustelle vor seinen Augen öffnete. Der 63-Jährige saß nervös im dunklen DFB-Anzug neben vier Weltmeisterstars auf der Tribüne des Al-Bayt-Stadions, als die Nationalmannschaft die WM gegen Costa Rica verlor – und nur Stunden später hatte er eine weitere wichtige Rolle im deutschen Fußball.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf holte sich den krisenerprobten und erfahrenen Bundesliga-Manager als Experten und Entscheider an seine Seite. Eigentlich soll Watz die vierte Person in einem hochkarätigen Kreis sein, in dem Medienberichten zufolge am Mittwoch über die Zukunft des deutschen Fußballs diskutiert werden soll.
Aber es wird in dieser Form nicht mehr passieren, da sich die Folgen des deutschen Scheiterns bereits in der persönlichen Situation von Oliver Bierhoff abgezeichnet haben. Der 54-jährige DFB-Geschäftsführer verlässt den Deutschen Fußball-Bund nach 18 Jahren, beide Seiten vereinbaren eine Vertragsauflösung bis 2024. Ursprünglich wollten sich Neuendorf, Watzke, Bierhoff und Bundestrainer Hansi Flick zu einer eingehenden Analyse treffen. Wie die Arbeiten weitergehen und wie die Zukunft des Streifens aussehen wird, war zunächst unklar.
Der einflussreichste Fußballmanager
Watzke hat sich zum einflussreichsten Fußballmanager des Landes entwickelt. Auch wenn er im Sommer in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur sagte: „Ich fühle mich nicht in einer solchen Kategorie“. Diese Woche aber konnten der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, der 1. DFB-Vizepräsident und der DFL-Aufsichtsratschef die wahre Summe enthüllen. Kann es sein, dass Watzke gleichzeitig das Amateur- und das Profilager putzt?
Bierhoff ist beim DFB nicht mehr in verantwortlicher Position. Donata Hopfen soll laut “Kicker” nach weniger als zwölf Monaten als Vorstandsvorsitzende der Deutschen Fußball Liga (DFL) abgelöst werden. Der 46-jährige Watzke soll das Vertrauen des Aufsichtsrats verloren haben. Viel zu tun also für Watzock, der sich für einen Job außerhalb des BVB nicht “gedrängt” hat: “Vielleicht hatte ich vorher Einfluss, jetzt bin ich verantwortlich. Das ist der Unterschied.”
Bierhoff setzte sich für den Abwärtstrend des Sports ein
Anders als Bundestrainer Flick, der das Amt erst vor 16 Monaten übernahm, setzte sich Bierhoff für den nahezu konstanten sportlichen Abwärtstrend der Nationalmannschaft seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 ein. „Leider habe ich gegen drei schlechte Turniere nichts einzuwenden“, sagte Bierhoff selbst nach der Vorrunde der nächsten WM in Katar leise.
Flick könnte nun, wenn er im Amt bleibt, zum Sportdirektor ernannt werden, eine Art Manager, wie es Bierhoff in seinen frühen DFB-Jahren hatte. Ein Weltmeister mit Massenwirkung zum Beispiel – jemand wie Sami Khedira?
Vielleicht wird Watzke langfristig enger an die Nationalmannschaft gebunden. Ähnliches geschah vor der Krise. Nach dem EM-Debakel im Jahr 2000 wurde Karl-Heinz Rummenigge DFB-Teamchef Rudi Voller als Einsatzleiter zugeteilt. Und im Frühjahr 2006, nach einer 1:4-Niederlage gegen Italien, als alle den WM-Heimerfolg fürchteten, wurde die „Task Force“ mit Bayern-Manager Uli Hoeneß als Vereinssprecher wiederbelebt. Wie Watzock nun in Katar, verfolgte Hoenes das Länderspiel als Tribünengast in Florenz.
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