„Besser wissen“: Selektives Wissenschaftsgehör

Kinder und Ehepartner haben ein erstaunlich selektives Gehör – was besonders gut darin ist, Aufforderungen für unangenehme Aktivitäten wie das Aufräumen des Zimmers oder das Rausbringen des Mülls zu maskieren. Selbst in Zeiten der Pandemie wurden einige unangenehme Anfragen gerne ignoriert. Bei den Politikern zwischen Berlin und Bayern führte dies sogar dazu Ermahnungenman sollte mehr “auf die Wissenschaft hören”.

Doch gerade in der Politik wird – nach wissenschaftlichen Daten und Empfehlungen – oft mindestens so selektiv zugehört wie in deutschen Kinderzimmern. Wissenschaftliche Warnungen vor der Klimakrise brauchten Jahrzehnte, um von den Ohren in die Köpfe einer politischen Mehrheit zu gelangen.

© TU-Dortmund

“Der Spiegel” verdeutlichte dies im vergangenen Jahr durch die Wiederverwertung eines “Klimakatastrophe”-Titelbildes vom August 1986 (!), das erneut den im Meerwasser schwimmenden Kölner Dom zeigte. Allen Empfehlungen zum Trotz müssen jedoch einfache, kleine Gegenmaßnahmen wie das Tempolimit auf Autobahnen noch umgesetzt werden.

Schon die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus einer physikalischen Grundvorlesung reichen aus, um zu errechnen, dass es auch jenseits von Emissionsfragen keine besonders gute Idee ist, ein bis zwei Tonnen Metall und Kunststoffe bei Geschwindigkeiten von 200 Stundenkilometern und mehr in den Straßenverkehr zu beschleunigen.

Zweifel am Duty-Geschäftsmodell

Ein beliebtes Gegenargument, um selbst klare wissenschaftliche Empfehlungen zu ignorieren, ist die Behauptung, dass es keine “Wissenschaft” gibt, sondern verschiedene Forschungszweige, die tatsächlich zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können.

Auch Lesen :  "The Day Before" kommt im März !?

Oder der eine oder andere Disputant findet sich im Gewand eines Professors wieder, der trotz des sonst wissenschaftlichen Konsenses als Kronzeuge des politischen Gegenwinds agiert. Die amerikanische Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes nannte solche ausbeuterischen Gelehrten in ihrem gleichnamigen Buch “Händler des Zweifels”. Im Fall der Klimakrise oder der Gesundheitsschäden durch das Rauchen haben einige dieser „Zweifler“ dazu beigetragen, die Folgen, die die Wissenschaft suggeriert, über Jahrzehnte hinauszuzögern.

Es wäre eine lohnende Aufgabe für die Wissenschaftskommunikation, unbegründeten Minderheitenmeinungen in den eigenen Reihen deutlicher entgegenzutreten – und deutlicher zu machen, ob es einen breiten wissenschaftlichen Konsens über die Wissenschaften hinweg gibt. “Scientists for Future” war hier ein guter Anfang.

Auch Lesen :  Gefrorene Seen: Forscher erwarten Zunahme von instabilem Eis | Wissenschaft

Aber gerade beim Klimaschutz wäre zu hoffen, dass etablierte Forschungsorganisationen im neuen Jahr noch einmal ordentlich Gas geben. Das wäre effektiver als ein Klimaprotest zwischen Kunstmesse und Autobahn.

Denn dies, sollte man der Transformations- und Akzeptanzforschung zuhören, wird die Realpolitik kaum ändern. Im Gegenteil: Allzu leicht lassen sich solche jungen Demonstranten mit ihren berechtigten Anliegen einfach von der Politik in ihr vermeintliches Kinderzimmer zurückschicken.

Auf der Homepage



Source

Leave a Reply

Your email address will not be published.

In Verbindung stehende Artikel

Back to top button